Mariechen Danz
Charlotte Dualé
Olga Pedan
Andrzej Steinbach
Dena Yago
Am 1. Juli 2016 eröffnet Gillmeier Rech die Gruppenausstellung Unfinished Symphony. Die Ausstellung präsentiert Arbeiten der Künstler Mariechen Danz, Charlotte Dualé, Olga Pedan, Andrzej Steinbach und Dena Yago und greift das Prinzip des Unvollendeten in der Gegenwartskunst auf. Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts hat sich die Idee des offenen Kunstwerks durchgesetzt, derzufolge ein Objekt erst durch die rezeptive Wahrnehmung des Betrachters vollendet wird. Diesen Subjekt-Objekt-Prozess beschreibt Juliane Rebentisch als ästhetische Erfahrung und Quentin Meillassoux nennt es ein Abhängigkeitsverhältnis, einen Korrelationismus, zwischen Kunstwerk und reflektierendem Subjekt. Die Ausstellung Unfinished Symphony erweitert diesen Gedanken und präsentiert Werke, die in Form komplexer Arrangements singulärer, aber nicht isolierter Objekte in Wechselbeziehung zueinander treten. Erst das interrelationale Verhältnis zwischen den – einzeln betrachtet unvollendeten – Objekten lässt konkrete Rückschlüsse auf die Gesamtheit und innere Logik der künstlerischen Arbeit zu. Fünf dieser konzeptuellen Ansätze kommen nun bei Gillmeier Rech in Form einer modernen Sinfonie zusammen.
Für die Ausstellung Unfinished Symphony hat Dena Yago (*1988 in den Vereinigten Staaten) am Schaufenster der Galerie eine Textarbeit aus Vinyl installiert. Als Vorlage dient ihr das Gedicht Standard Remote, das sie seit 2008 kontinuierlich, beginnend vom Ende, schreibt und online veröffentlicht. Einen Vers des Gedichtes hat Yago nun aus der digitalen Welt genommen und in die Ausstellung überführt. Im Ausstellungsraum präsentiert Mariechen Danz (*1980 in Irland) Modular Glyphic System, eine mehrteilige Arbeit aus gestanzten und geschnittenen Metallplatten, die Muster von Belüftungsschlitzen, Motive aus der mesoamerikanischen Kunst sowie Satzzeichen und Icons aus der digitalen Kommunikation zeigen. Die einzelnen Metallskulpturen sind in Kooperation mit dem US-amerikanischen Unternehmen Genghis Khan Fabrication Co. entstanden, das dekolonialisierende Strategien für Produktionsprozesse im Silicon Valley entwickelt. Modular Glyphic System ist als wachsende, erweiterbare Arbeit konzipiert. Charlotte Dualé (*1982 in Frankreich) präsentiert die neue raumgreifende Installation Szuru szuru, szuru buru aus einer Serie fragiler Tonarbeiten, die von einem 5 Meter langen Displaysystem gehalten, aufgereiht und präsentiert werden. Die Skulpturen spielen mit Prinzip der Ähnlichkeit, scheinen auf das Körperliche zu referieren und diesen Eindruck im selben Atemzug zu wiederlegen. Diese Formlosigkeit des Informellen sei nicht, wie Georges Didi-Huberman es in Anlehnung an Bataille formulierte, als Negation der Form, sondern vielmehr als ein produktiver Prozess der Formfindung zu verstehen. Dem Werk Dualés steht die Videoarbeit Evroque von Olga Pedan (*1988 in der Ukraine) gegenüber. Das Video zeigt ein Kastanienblatt in Großaufnahme, das ruhig auf der Wasseroberfläche eines Brunnens treibt und wechselt von dieser Einstellung zu einer Nahaufnahme von Schilfrohr, das sich im Gegenlicht sanft hin und her bewegt. Über die Bilder legt sich eine Stimme aus dem Off, die lückenhaft – beinahe unverständlich – Auszüge aus der Online-Fan-Fiction vorliest, in der sich reale, imaginierte und fiktive Narrative zu einer schizophrenen Analyse über den Zustand Europas verknüpfen. Andrzej Steinbachs (*1983 in Polen) konzeptuelle Fotografien rahmen die Ausstellung. Aus seiner 184-teiligen Serie Figur I, Figur II zeigt er 11 Fotografien, bei denen es sich nicht – wie es zunächst scheinen mag – um Porträts, sondern um inszenierte Anti-Porträts handelt. Die beiden fotografierten Personen wiederholen die Ökonomien von Pose, Haltung und Fashion und verweigern konsequent alle Zuschreibungen von Identität, Gender, kultureller Herkunft und politischer Einstellung. So gelingt es den Bildern mit dem Modus der Evidenz (Roland Barthes) und der indexikalischen Verfasstheit (Charles Pierce) der Fotografie zu brechen und einen Raum zu eröffnen, in dem das Identifikationspotenzial und Repräsentationsregime der Fotografie untersucht und hinterfragt werden kann.
Die Ausstellung Unfinished Symphony versteht das Prinzip des Interrelationismus als wesentliches Merkmal der Gegenwartskunst und spürt die Idee des Unvollendeten auch im Ausstellungsmachen auf. Ausstellungen sind wie Zeitkapseln, die versuchen eine Gefühlslage, eine Erscheinung oder einen Moment einzufangen und zu einer These zu verdichten. So entsteht das Kontinuum einer Welt, das nur kurz Bestand hat und sich wieder auflöst, sobald die Ausstellung zu Ende ist.
Olga Pedan
“Evroque” 2016
HD video with Sound
2min 58s